Anita Gödiker ist Gründerin und Geschäftsführerin von Satellite Office. Ihr Hauptbüro ist normalerweise in Berlin, doch meistens ist sie in einem der elf Standorte unterwegs. Damit war vor mehr als neun Wochen plötzlich Schluss. Jetzt sitzt sie hauptsächlich in ihrem „Gäste-Zimmer“ im Emsland und kümmert sich um ihre 94jährige, demenzkranke Mutter, deren „Tagespflege“ geschlossen wurde – und steuert zusätzlich die Firma sicher und überlegen durch die Krise.
„Demenz im engsten Familienkreis, hunderte Kilometer Entfernung und ein Unternehmen, das genau jetzt enge Führung braucht. Wie meistern Sie das, Anita Gödiker?
Manchmal weiß ich das auch nicht. Es ist schon eine enorme Herausforderung, geht an die Reserven. In meiner „Ein-Zimmer-Suite“ – mein „Gästezimmer“ im Haus meiner Mutter übrigens- mit eingeschränktem Internet – ländlicher Raum – muss ich oft erfinderisch sein, aber das bin ich, das ist das kleinste Problem. Viel schlimmer finde ich, dass pflegende Angehörige von Demenzkranken keine Stimme in dieser Gesellschaft haben. Meine Mutter ist normalerweise in einer Tagespflegeeinrichtung untergebracht und dort sehr glücklich. Die Tagespflegen mussten aber zu Beginn des Lockdowns geschlossen werden. Das heißt für uns Angehörige, diesen Part komplett zu übernehmen. Es gibt keinerlei Unterstützung von außen. Menschen mit Demenz gibt ein vertrautes Umfeld ein hohes Maß an Sicherheit und Stabilität, daher ist es nicht möglich, schnell eine andere Möglichkeit zu finden. So bin ich momentan Pflegerin und Geschäftsführerin in einem. Oft lese ich von überforderten Familien in Bezug auf Kinder, jedoch gar nichts von überforderten Töchtern oder Söhnen mit demenzkranken Eltern. Das gibt es offiziell wohl nicht. Momentan bin ich am Limit, wie viele andere in meiner Situation auch. Und doch erlebe ich zum Glück viele schöne Momente der Verbundenheit mit meiner Mutter, die ansonsten recht rüstig ist. Das lässt mich jeden Tag wieder positiv angehen. Sehr belastend ist tatsächlich die Entfernung von über 1000 km und das Vereinbaren zweier „Welten“ zur gleichen Zeit. Das fordert psychisch und auch physisch. Ein Ende ist nicht in Sicht, da pflegende Angehörige einfach nicht im Fokus stehen. Alte und sehr alte Menschen werden leider nur im Kontext mit Alten- und Pflegeheimen gesehen. Das ist bitter.
Das Bild oben zeigt Anita Gödiker übrigens bei einer Dienstreise nach Düsseldorf, ganz zu Beginn der Corona-Krise, daher noch ohne Masken. NRW galt zu diesem Zeitpunkt als sehr gefährlich. Da die Unternehmerin keine Betreuungsmöglichkeit für Ihre Mutter hatte, bei Satellite Office in Düsseldorf aber Bauabnahmen stattfinden mussten, packte sie die Seniorin kurzerhand ins Auto und nahm sie mit.
Erzählen Sie es weiter, wenn Sie das Lesen. Hier braucht es eine Sensibilisierung, damit auch dieser Teil der Gesellschaft auf die politische Bühne kommt. Eine enorm große Unterstützung in dieser Zeit ist das gesamte Satellite Office Team, das mir in einer unfassbar geschlossenen Mannschaftsleistung den Freiraum gibt, beide großen Herausforderungen meistern zu können. Danke dafür. Chapeau!